Wer immer uns mit einer Pflegestelle unter die Arme greifen und einem Hund ein Zuhause auf Zeit geben möchte, der sollte diesen Text von Andrea Kraust aus Bayern sich durchlesen.
Es ist nicht so einfach, wie man es sich evtl vorstellt, aber es gibt einem sooooo viel, das es sich immer wieder lohnt.
Einen verstörten, unsicheren oder gar ängstlichen Hund auf das Leben vorzubereiten, ihm das Vertrauen zu geben, das alles schreckliche vergessen werden kann......... DAS IST TIERLIEBE !!!!
Viel Spass beim Lesen:
Der Pflegestellenblues von Andrea Kraust
Ich weiß nicht wie oft ich schon gesagt habe: Warum tue ich mir das an???
Ich stöbere in unserer Seite im Internet… Cathrin hat heimlich, still und leise neue Hunde eingestellt. Völlig unbeteiligt scrolle ich runter… uppala! Da ist wieder so einer! Ich beschließe ihn zu ignorieren. Meine Hunde brauchen Pause! Ich mache den Computer aus.
Nach der ersten Hunderunde mache ich ihn wieder an. Der neue Hund ist immer nach drin.
Ich erinnere mich an das letzte Mal und mache den Computer aus. Diese Prozedur wiederhole ich etwa 10x bevor ich mit rollenden Augen eine Email schicke:
Ich nehme beim nächsten Transport Hund sowieso.
Sofort bereue ich meinen Entschluss zutiefst und beginne mir automatisch Sorgen zu machen!
Was wenn dem Hund, bis er kommt irgendetwas passiert??? Was wenn auf dem Transport etwas nicht klappt? Ein Unfall?! Was wenn er wegläuft???
Etwa 3 Tage vor Ankunft des Hundes nehmen die Sorgen noch zu! Was wenn ich diesem einen nicht helfen kann seinen Weg zu machen? Ich beginne nachts schlecht zu schlafen!
Alpträume plagen mich.
Die Nacht bevor die Hunde kommen hat höchstens 4 Std. Ich warte auf den Anruf. Natürlich kommt der Transport später! Vermutlich gegen 21 Uhr… Die letzten schlaflosen Nächte zerren an meinem Gemütszustand.
Um 19 Uhr der Anruf. Du kannst um 21 Uhr losfahren. Eigentlich schlafe ich da schon!!!
Um 22 Uhr 30 kommen dann auch die Hunde. Ich – unterdessen völlig übermüdet entnehme der Transportkiste einen völlig erschöpften, zitternden, übel riechenden Fellhaufen.
Ich schaffe das schlotternde Elend in mein Auto, das sofort den Geruch nach Spanischen/ griechischen Exkrementen annimmt.
Zuhause angekommen beschließe ich, dass es zu spät ist den Hund noch zu baden. Ich schaffe ihn ins Hundezimmer, füttere ihn und höre mir dann das Gejammer meiner Hunde an:
Du bist doof! Warum hast du das mitgebracht? Soll der jetzt auch hier wohnen? Wir wollen ihn nicht! Je nach Temperament fallen die Unmutsbekundungen schlimm bis schrecklich aus.
Nächster Morgen 4 Uhr 30. Ich eile ins Hundezimmer – natürlich gleich mit einer Rolle Küchenpapier! Wohl wissend was mich erwarten wird.
Der Neuzugang betrachtet mich abweisend. Ich setze meine Vollstreckermine auf, greife beherzt nach dem sich lebhaft sträubenden Hund. Ab in die Wanne, auf das der Gestank aus den Wohnräumen weiche!
Ahhh! Sowieso ist sauber! Der kleine Racker staunt mich an und schüttelt sich noch einmal um auch den Rest des Badezimmers in einen erbarmungswürdigen Zustand zu versetzen!
Die heimische Meute hat unterdessen in einer konspirativen Sitzung beschlossen sowohl mich wie auch den Neuen erst einmal völlig ätzend zu finden. Nicht gurrendes Schmeicheln noch leckerste Bonbons vermögen Abhilfe zu schaffen! Ich bin blöd! Der Neue ist blöd! Die Idee war blöd! Das Frühstück schmeckt blöd. Das Wetter ist blöd! Das ganze Leben bei mir eine Zumutung!
Der Neue indes findet es auch blöd! Haus ist blöd! Katzen sind blöd! Leine ist blöd! Die anderen sind blöd! Ich bin blöd!
Das Futter schmeckt auch nicht wie in Spanien.
Das Telefon klingelt! Sabine! Gottseidank jemand der mich versteht!
Wir klagen uns gegenseitig unser Leid! Wir verstehen uns und unser Elend!
Nebenbei rufen wir immer wieder unsere Hunde und die Neuzugänge zur Ordnung.
Lass die Katzen in Ruhe!
Nein Else, nicht reinbeißen, der ist nett!
Nicht die Fernbedienung zerkauen!
Pfui! Teppichkanten sind absolut verboten!!!
Man macht nicht auf den Teppich!
Nein, wir trinken hier nicht aus dem Klo!!!
Die ersten 3 Rollen Küchenpapier sind längst verbraucht!
Am Ende des Telefonats beschließen wir einhellig DAS nie wieder zu machen!!!
Diese Szenerie wiederholt sich genau 3 Tage lang.
Am Mittag des 3. Tages sind alle fertig mit der Welt. Irgendwann gegen 13.30 geht gar nichts mehr. Ich setze mich mit der gesamten Rotte aufs Sofa und wir alle schlafen augenblicklich ein. J Irgendwann ist auch diese Ohnmacht mal vorüber und alle werden wieder wach.
An dieser Stelle beginnt eine neue Phase!
Alles wird guuuut!
Der Neuzugang ist nun auch innerlich angekommen und man erhält eine vage Ahnung davon, wen man sich da ins Haus geholt hat. Die eigene Rotte findet den Neuen jetzt eigentlich ziemlich lustig und auch Sowieso findet mich jetzt das erste Mal cool.
Am 4. Tag beginnt der Neue auf seinen Namen zu hören und kommt in den Genuss, das erste Mal ohne Schleppleine im Garten laufen zu dürfen.
Bei mir erfolgt an dieser Stelle das pädagogische Gespräch über das Nutzgeflügel, was sich frei im Garten bewegt und NICHT! Zu den Beutetieren gehört.
Noch während dieses Gespräches läuft der Neuzugang in aller Regel freudestrahlend in den mit Entenflott überzogenen Teich!
Nach erfolgter Bergung wieder ein Bad. Denn was dann im Fell klebt ist nicht wirklich angenehmer als der Tierheimmief.
Von nun an geht es rapide aufwärts. Einige brauchen etwas länger andere passen sich sofort perfekt an.
Die Hunde, die besonders viel Schlimmes erlebt haben beginnen mich auf diese widerlich dankbare Art anzuschauen und sich für jede Kleinigkeit zu freuen.
Ich beobachte das mit zunehmendem Missmut und nehme mir ganz besonders fest vor, das zu ignorieren und genau diesen Hund nicht besonders lieb zu gewinnen.
Professionelle Distanz – so weiß ich - macht das Leben einfacher!
Und während ich sehr angestrengt um eben diese ringe, passiert irgendetwas ganz Unerwartetes. Entweder gräbt sich der lebhafte Pflegling unter der Sauna fest, so dass 3 Leute 2 Std damit beschäftigt sind den kleinen Racker wieder auszubuddeln – und dabei die halbe Sauna zu demontieren - ( einen lieben Gruß an die kleine Mona an dieser Stelle ) oder man schmeißt sich lang auf die Erde und wird ( wie Coco ) ganz besonders schlimm krank!
Sehr beliebt ist auch die Variante, plötzlich einfach der perfekte Hund zu sein! Entweder man glänzt durch Heiterkeit, Klugheit oder dadurch dass Hund beschließt, mich so zu lieben, dass er beginnt mich gegen allerlei Böses zu verteidigen. Z.B. gegen die böse Dunkelheit mit ihren bedrohlichen Geräuschen und Geschöpfen!
Was immer sich das durchtriebene spanische Hirn ersinnt, ich bin nicht resistent genug zu widerstehen.
Ja, ich bin ein Charakterschwachmat!
Nach spätestens 2 Wochen liebe ich sie heiß und innig! Dabei ist es völlig unwesentlich ob sie mir den Tisch abräumen, auf die Teppiche pinkeln, die Stühle benagen oder mir den halben Garten unterhöhlen!!!
Auch wenn die Stubenreinheit Wochen auf sich warten lässt und Desinfektionsspray meine Hände schon fast zersetzt hat, jeden Abend, wenn wir auf dem Sofa sitzen und Ruhe einkehrt ist da ein kleines bisschen mehr Leuchten in ihren Augen. Das erste Lächeln huscht durch ihren dankbaren Blick Man spielt sich ein und der ehemalige Lump beginnt von Innen und Außen immer mehr zu strahlen. Neue Aufgaben werden gemeistert. Dinge die bedrohlich erschienen, werden Normalität und wenn etwas ganz besonders fürchterlich ist schauen sie mich an und beschließen, dass wenn ich nur dabei bin sie alles schaffen!
Ich weiß nicht wie oft ich schon geheult habe wenn ein kleiner Stinker neben mir stand und gesagt hat: Wenn Du glaubst, dass ich das schaffe, dann kann ich das auch!
Im Allgemeinen ist das genau die Stelle an der das Telefon klingelt.
Es nützt nichts, ich verschicke Vorfragebögen, führe Telefongespräche über Stunden und alles Hoffen nützt nichts, die Interessenten sind einfach toll!
Sie haben genau das Zuhause, was man sich für eben diesen Hund wünscht. Sie haben Erfahrung – sind einfach tolle Leute.
Der Tag an dem sie kommen ist immer zu früh und zu spät!
Und die Leute sind immer noch toll!
Ich tue, was getan werden muss. Der kleiner Racker neben mir weiß genau, dass es um ihn geht. Während ich die Interessenten mit MEINEM Hund spazieren schicke um sich kennen zu lernen suche ich das Haar in der Suppe und finde es nicht.
Auch das stundenlange Telefonat mit Sabine ( denk an die anderen, Du kannst ihn nicht behalten, für jeden, den du behältst stirbt ein anderer, Er hat es dort so toll weil… ) Nichts – aber auch gar nichts vermag mich zu trösten. Der Rest geht schnell, weil es zumindest für mich einfacher ist!
Wenn das Auto wieder fährt bleibt Leere….
Ich sehe ihre Augen, erinnere mich an das erste Lächeln, bestandene Abenteuer.
Der Rest der Rotte betrachtet mich wie einen Verräter!
Du bist blöd und gemein! Wir haben ihn lieb gehabt. Er konnte toll spielen. Wir haben so gerne mit ihm gekuschelt!
Abends beim Füttern steht der überzählige Napf auf der Anrichte.
Nach meinem 3. Pflegehund habe ich beschlossen, nur noch solche zu nehmen, die ich eher unscheinbar – wenn nicht sogar ein kleines bisschen unansehnlich finde.
Quatsch!!! Es ändert gar nichts!
Vielmehr ist es so, dass meistens genau diese Hunde dazu neigen sich mitten ins Herz zu arbeiten!
Und mit jedem der geht, geht ein großer Teil Herzblut!
Ich wünsche Euch allen, die ihr auf meine Teppiche gepinkelt habt alles Glück der Welt!!! Dass ihr geliebt werdet, so wie ihr liebt, dass ihr verstanden werdet!
Dass ihr eure unmöglichen kleinen Angewohnheiten behalten könnt und jeden Tag ein bisschen mehr an euch, eure Familie und das neue gute Leben glaubt!
Und ich wünsche mir, dass ich euch genug Vertrauen gegeben habe euren neuen Menschen all das zu geben was ich von euch bekommen habe!
Und ganz eigennützig wünsche ich mir, dass ihr ab und zu an uns denkt und wisst, dass wir euch niemals vergessen!!!
Und weil ich nun gar nicht mehr wischen muss und so viel Zeit über habe stöbere ich auf unserer Seite im Internet…. und suche den nächsten Stinker.